 |
Gerichte
Wenn Justitia zu
Kochlöffel greift.
|
Gerichte
sind zwingend Gegenstand der beruflichen Tätigkeit eines
Bundesgerichtsjournalisten. Im Fall desjenigen der NZZ
allerdings dreht sich auch sein Hobby um Gerichte, wenn auch
im zweiten Sinne des Worts. Und um diese kulinarischen
Gerichte ranken sich bisweilen Geschichten und Reminiszenzen,
die ihrerseits wiederum mit Gerichten im ersten Sinn des Worts
zu tun haben. Einige der Rezepturen werden an dieser Stelle in
lockerer Folge veröffentlicht - garniert mit einigen
küchenfremden Zutaten.
Bestäubter
Traminer
Pasta Scureggia
Posthundfilet
Vitello Puntato
Weinprachttopf
|
Vitello Puntato
Seinen Namen
hat das Gericht von den grünen Punkten, die sich auf
jeder Tranche des Bratens zeigen, wenn die Vorbereitung
gelingt. Das Rezept erfordert nämlich einiges an
Fingerfertigkeit und erinnert daher nicht nur wegen der
Punkte an die geistige Fingerfertigkeit eines Weibels
der vor langer Zeit seinen Dienst am Bundesgericht
antrat. Damals wurde von den uniformierten Dienern
erwartet, dass Sie beim Betreten eines Büros den
gegebenen Falles darin sitzenden Richter in seiner
Muttersprache begrüssten: «Bonjour Monsieur le Juge
fédéral» oder «Grüezi Herr Bundesrichter» je
nachdem. Einzig Tessiner Magistraten konnten problemlos
in beliebiger helvetischer Sprache angesprochen werden.
Besagter Weibel tat sich schwer damit, immer auf der
richtigen Seite des Röstigrabens zu stehen und verfiel
auf kluge List. Er schnitt Punkte aus farbigem Papier
zurecht und klebte sie bei den französischsprachigen
Richtern an die Türpfosten. Fortan genügte ein Blick
darauf, um beim Eintreten sofort den richtigen Ton zu
finden. Die farbigen Punkte sind längst dem Zahn der
Zeit zum Opfer gefallen, und der Weibel ist in den
Ruhestand getreten. Doch wer davon weiss, wünscht sich
gelegentlich derartige Punkte auf die Nasen der fast
zweihundert Mitarbeiter des Gerichts, um beim Grüssen
im Gang oder in der Bar mit seinem «Grüezi» oder «Bonjour»
nicht immer falsch zu liegen. |
Zubereitung
Mit einem
schmalen Filetiermesser stechen Sie zunächst senkrecht
von oben einige Zentimeter in den liegenden Braten,
drehen das Messer dann parallel zum Braten in die
Horizontale und stechen vorsichtig weiter, ohne dass die
Spitze nach aussen dringt. Diese Kanülen werden mit der
Füllung gestopft. Nun würzen Sie das Fleisch und
stellen es übergossen mit etwas Olivenöl in einer
Bratschale in den auf 250 Grad vorgeheizten Ofen. Nach
20 Minuten die Temperatur auf 150 Grad reduzieren, mit
dem Weisswein ablöschen und fortan den Braten
regelmässig übergiessen. Nach 30 Minuten die Bouillon
dazu geben und während einer halben Stunde weiter
übergiessen. Herausnehmen, das Fleisch in Tranchen
schneiden und auf einer vorgewärmten Platte zusammen
mit der in eine Saucière abgegossenen Sauce servieren.
Als Beilage wird kanadischer Wildreis empfohlen.
Hinweis: Die
Schwierigkeit des Rezepts liegt in der manuellen
Vorbereitung des Bratens. Für das Füllen der Kanülen
kann der Spritzsack mit kleinster Düse verwendet werden
oder eine medizinische Spritze ohne Nadel. Es geht aber
auch mit blossen Händen, vielleicht etwas langsamer,
aber dafür sind die Hände schneller gewaschen als ein
Spritzsack. Wer sich mit dem Stechen der Kanülen schwer
tut, sollte sich vielleicht auf eine einzige
beschränken oder den Metzger fragen, bevor er an sich
selber ein Massaker verübt. |
Zutaten
(für vier Personen)
1 kg
Kalbsbraten oder mehr
1-2
Glass Weisswein
1
Tasse Bouillon
Olivenöl
Füllung
aus Rosmarin,
Knoblauch, und Kapern
(alles sehr fein gehackt)
sowie Senf
|
|
Pasta Scureggia
Die Teigwaren
verdanken ihren Namen einer sich meist erst Stunden nach
deren Verzehr manifestierenden Wirkung und werden daher
im Volksmund auch «al Peto» (nicht «al Pesto»!)
genannt. Der Bezug des Gerichts zum Gericht ist
vielschichtig. Böse Zeitgenossen sehen ihn in der nur
zögerlichen Wirkungsentfaltung. Frei nach dem Motto:
«Spät stinkt es, aber es stinkt.» Einen anderen
Konnex schuf im Frühling 2000 Nationalrat Alexander
Baumann im Parlament: «Wir wehren uns nicht gegen die
Entlastungen des Bundesgerichtes, aber wir wehren uns
gegen das Motto 'Stich, Furz, Galopp'!» Der von ihm
angesprochene gesetzgeberische Entlastungsversuch, den
die damaligen Präsidenten der beiden Gerichte
eingefädelt hatten, wurde vielfach als Furz bezeichnet,
der im übrigen im Verlaufe der parlamentarischen
Prozedur mehr und mehr zum Fürzlein abflaute...
* nachzulesen
unter http://www.parlament.ch/ab/data/f/n/4602/7869/f_n_4602_7869_8003.htm |
Zubereitung
Die Zwiebeln
werden fein gehackt und in etwas Olivenöl und Butter
langsam leicht golden geröstet. Löschen Sie nicht zu
früh, aber auf keinen Fall zu spät mit dem Weisswein
ab und reduzieren Sie die Temperatur. Jetzt gilt es,
geduldig zu warten, bis die Flüssigkeit sich kaum
köchelnd auf ein Drittel ihres Volumens reduziert hat.
Den Saucenrahm dazu geben. Erst dann wird die Temperatur
wieder erhöht und der in Stücke geschnittene Taleggio
so langsam in die leicht kochende Flüssigkeit gegeben,
dass er vorweg schmelzen kann. Es ist wichtig, dass Sie
dabei stetig aber langsam rühren genau wie in einem
Fondue. Sobald der Käse ganz geschmolzen ist, wird die
Sauce über die al dente gekochten Teigwaren gegossen.
Hinweis: Je
nach Qualität und Alter des Käses kann es zu Problemen
beim Binden der Sauce kommen. Dann helfen zwei
Teelöffel Stärkepulver (z.B. Maizena), die in einem
Glas Grappa aufgelöst und der kochenden Sauce unter
emsigem Rühren beigegeben werden. Sollte auch das
nichts nützen, empfiehlt es sich, den Ärger mit dem in
der Flasche verbliebenen Grappa hinunter zu spülen... |
Zutaten
(für vier Personen)
5
grosse Zwiebeln
200
g Taleggio
1-2
dl Saucenrahm
2 dl
Weisswein
500
g Teigwaren
Olivenöl
und Butter

|
|
Posthundfilet
Das Rezept
geht auf die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts
zurück und wurde ursprünglich mit Hundefleisch
zubereitet. Aus Gründen der kulinarisch-politischen
Korrektheit ist heute Schweinefleisch vorzuziehen, ohne
dass deswegen die Sau auf den Hund gebracht oder dieser
zur Sau gemacht werden soll. Die mit dem Gericht
verbundene Geschichte handelt von einem Bundesrichter,
der sich am Schalter der gerichtseigenen Post etwas zu
weit ins Fenster lehnte. Das verstand der Hund der
Postbeamtin falsch, waltete bellend seines Wächteramts
und erschreckte den Magistraten beinahe zu Tode. Dieser
beantragte in der Folge nicht etwa, den Hund des hohen
Hauses zu verweisen, sondern gewissermassen das Kind mit
dem Bad auszuschütten und kurzerhand die Post zu
schliessen. Bleibt zu hoffen, dass kein heutiger
Nachfolger des vom Hund erschreckten Richters auf
ähnliche Weise Remedur schaffen will, wenn ein
Journalist in Ausübung seines Wächteramts warnend zu
bellen wagt...
NOTA BENE:
Die Post im Bundesgericht ist noch immer offen. |
Zubereitung
Am besten
gelingt der Posthund im Römertopf, der vorgängig -
wenn möglich einige Stunden - ins kalte Wasser gestellt
werden muss. Das Filet wird gewürzt, mit der Marinade
bestrichen und kalt gestellt. Die Schalotten schneiden
sie in feine Lamellen und den Speck in ebenso feine
Streifen. Die frischen Pilze werden gereinigt und wenn
möglich ganz belassen, bevor sie als erste in den
Römertopf gegeben werden. Mit dem Wein sowie der
Bouillon übergiessen und das Filet schlangenförmig
darauf legen. Schliesslich wird alles mit dem Speck und
den Schalotten bestreut. Den zugedeckten Römertopf
stellen Sie zuunterst in den kalten Ofen, den Sie erst
jetzt auf eine Temperatur von 225 Grad aufheizen. Nach
75 Minuten ausschalten und den Topf herausnehmen.
Schneiden Sie das Fleisch in Scheiben, rühren Sie den
Sauerrahm unter die Sauce und geben Sie das geschnittene
Fleisch in den Topf zurück. Sollte die Beilage -
empfohlen werden Teigwaren oder Reis - nicht nicht ganz
fertig sein, kann der Römertopf ohne weiteres noch
einige Minuten im ausgeschalteten Ofen stehen gelassen
werden.
Hinweis:
Finden sich in Ihrer bevorzugten Filiale der Migros
gerade keine Schalotten, können diese durch Zwiebeln
ersetzt werden. Ebenso können Sie an Stelle des
Ahornsirups Honig verwenden. Und wenn Sie keine Tapenade
zur Hand haben, lassen Sie sie einfach weg. Nur wenn Sie
das Schwein ersatzlos streichen, das den Hund ersetzt,
dürfte letzterer sich in den Schwanz beissen. |
Zutaten
(für vier Personen)
1 kg
Schweinsfilet
500
g grosse Pilze
5
Schalotten
100
g Speck geräuchert
3 dl
Weisswein
3 dl
Bouillon
2
dl. Sauerrahm
Marinade
aus Olivenöl, Senf, Tapenade und Ahornsirup
|
|
Weinprachttopf
Das Gericht
geht auf ein altes provenzalisches Rezept für ein Daube
zurück, das mit den gekochten Sattelriemen, die den
Touristen heute im Süden Frankreichs als Daube
vorgesetzt werden, nur noch den Namen gemein hat. Die
Bezeichnung Weinprachttopf spielt einerseits auf die
eigentümliche Zubereitung in relativ viel hochwertigem
Rotwein an, anderseits aber auch auf den Namen eines
noch immer amtierenden Bundesrichters. Dieser war zu
später Stunde in Bern durch seine besonderen
önologischen Kenntnisse und Vorlieben aufgefallen. Am
folgenden Tag erhielt der heutige
Bundesgerichtskorrespondent der NZZ den Anruf eines
Berufskollegen aus dem Bundeshaus. Der teilte ihm mit,
er habe mit Freude und Erstaunen einen Bundesrichter
kennen gelernt habe, der nicht nur von Juristerei etwas
verstehe, sondern auch von Wein. Und nomen est omen:
Fügt man dem Familiennamen des vinophilen Richters nur
zwei Buchstaben hinzu, wird er zum Weinprächtiger... |
Zubereitung
Das Gericht
schmeckt aufgewärmt am besten, weshalb mit der
Zubereitung am Vortag begonnen wird. Erhitzen Sie in
einem grossen Topf das Olivenöl und geben Sie den sehr
fein geschnittenen Speck dazu. Danach folgen die
Zwiebeln, von denen eine mit den Nelkenköpfen besteckt,
die anderen in Viertel geschnitten werden, sowie
Knoblauch, Karotten und Kräuter. Das Ganze wird
mindestens eine Viertelstunde auf kleinem Feuer belassen
und immer wieder umgerührt. Danach legen Sie das in
nicht zu grosse Stücke geschnittene Fleisch auf das
Bett aus Gemüse und Kräutern. Würzen, umrühren und
mit Rotwein übergiessen, bis alles gut bedeckt ist.
Erhöhen Sie die Hitze, bis die Flüssigkeit sich
langsam zu bewegen beginnt. Bevor der Wein richtig
köchelt muss die Temperatur wieder reduziert werden,
weil andernfalls das Fleisch zäh werden kann. Während
fünf Stunden wird der Topf so knapp unter dem
Siedepunkt belassen und danach bis zum folgenden Tag
kalt gestellt. Zwei Stunden vor dem Anrichten beginnen
Sie mit dem langsamen Aufwärmen und belassen die Sauce
wiederum knapp unter dem Siedepunkt. Als Beilage eignen
sich hervorragend hausgemachte Vollkornspätzli.
Hinweis: Wenn
Sie zu den Zeitgenossen gehören, für die ein guter
Wein einzig zum Trinken da ist, dann lassen Sie die
Finger von dem Gericht. Es braucht kein Château Petrus
zu sein, doch aus billigem Kochwein wird kein
Weinprachttopf. Ein gutes Gewächs aus der Provence
verträgt sich bestens mit der ursprünglichen Herkunft
des Gerichts, doch darf es auch ein Chianti der
mittleren Preisklasse sein. Eine Flasche wird nicht
genügen, doch werden Sie je nach Form des Topf auch
nicht ganz alle beide benötigen. Der Rest ist für den
Koch, aber Vorsicht: Die Sauce darf wirklich nie (!!)
kochen. |
Zutaten
(für vier Personen)
2
Flaschen Rotwein
1 kg
Rindsgoulasch
100
g Speck geräuchert
4
Zwiebeln
6
Knoblauchzehen
8
Karotten
1-2
dl Olivenöl
Lorbeer,
Thymian, Rosmarin und Nelkenköpfe
|
|
Bestäubter
Traminer
Das Rezept
wurde in Erinnerung an jenen Richter kreiert, der vor
vielen Jahrzehnten sich und seinesgleichen mit Mut und
Zivilcourage gegen erniedrigende Anwürfe einer Hausfrau
verteidigte. Letztere bewohnte eine obere Etage an der
Avenue du Tribunal-fédéral und pflegte ihren
Staublappen just dann auf das Trottoir zu schütteln,
wenn darauf besagter Magistrat zur Arbeit schritt. Eines
Tages wurde ihm die staubige Sache zu bunt und er
erklomm die erforderlichen Treppen, um die gute Hausfrau
darüber zu belehren, dass in Lausanne Staublappen
niemals auf das Trottoir, sondern immer nur zum Innenhof
hin ausgeschüttelt werden dürfen. Ob er dabei die
einschlägige kommunale Verordnung auswendig zitierte
oder in gedruckter Form mitbrachte, darüber gibt es
unterschiedliche Kolportagen. Recht hatte er so oder so:
Auf höchstrichterliche Häupter wird weder Staub noch
Asche gestreut. Und wenn der eine oder andere Kopf
dennoch verstaubt, muss dies andere Ursachen haben. |
Zubereitung
Die Rosinen
werden in einer Tasse mit etwas Gewürztraminer
übergossen, so dass sie knapp bedeckt sind, und dann
gedeckt einige Stunden stehen gelassen. Geben Sie die
Eier, die Margarine, den Vanillezucker und den
Ahornsirup in die Teigschüssel und rühren Sie alles
schaumig. Nach und nach wird auch der Wein dazu
gegossen. Mischen Sie Mehl und Backpulver gut
durcheinander und streuen Sie es sehr langsam in die
Masse, die stetig weiter gerührt werden will. Der Teig
muss fliessen, ist er zu dick, braucht es noch etwas
Wein. Erst am Schluss geben Sie die eingelegten Rosinen
dazu. Eine Cake-Form ausbuttern und den Teig
hineinlaufen lassen. Sofort in den auf 175 Grad
vorgeheizten Ofen stellen und 45 Minuten backen. Nach
dem Erkalten bestreuen Sie den Kuchen mit Puderzucker.
Hinweis:
Falls Sie eine Teigmaschine benutzen, verwenden Sie
zunächst den Schaumbesen, den Sie erst vor der Beigabe
des Mehls durch den K-Haken ersetzen. Arbeiten Sie von
Hand, sollten Sie die angegebenen Quantitäten
verdoppeln, um auch sicher die Kalorien ersetzen zu
können, die Sie beim Rühren verlieren... |
Zutaten
(für vier Personen)
250
g Mehl
150
g Margarine
250
g Ahornsirup
100
g Rosinen
1/2
Beutel Backpulver
1
Beutel Vanillezucker
1-2
dl Gewürztraminer
Puderzucker
|
|
|
|